CDU-Wirtschaftsflügel bricht mit Jens Spahn
Eine Machtbasis von Jens Spahn ist Vergangenheit: Die Wirtschaftsunion verweigert dem Gesundheitsminister die Unterstützung für seine Kandidatur zum stellvertretenden Parteichef. Was steckt hinter dem Bruch nach der jahrelangen Zusammenarbeit?
Der Wirtschaftsflügel der CDU war einmal die Machtbasis von Jens Spahn. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) hat den Aufstieg des 40-Jährigen zum Bundesgesundheitsminister maßgeblich befördert. Mit ihrer Unterstützung zog Spahn vor sechs Jahren in einer Kampfkandidatur ins CDU-Präsidium ein.
Seitdem war die von einem engen Spahn-Vertrauten, dem jungen Fraktionsvize Carsten Linnemann, geführte MIT eine Unterstützerin für Spahns Präsidiumskandidaturen und politische Initiativen.
Jetzt nicht mehr.
Denn am Dienstag scheiterte der Versuch, Spahn in einer Sondersitzung des MIT-Präsidiums die Unterstützung für seine Kandidatur für den stellvertretenden Parteivorsitz zu sichern, wie WELT erfuhr. Das Meinungsbild unter den wegen Corona per Videokonferenz tagenden Präsidiumsmitglieder sei so kritisch gegenüber Spahn gewesen, dass Linnemann auf eine formale Abstimmung verzichtet habe.
Dabei war es schon der zweite Versuch, Spahn die Unterstützung des Wirtschaftsflügels zu sichern. Bereits am vergangenen Freitag habe das Präsidium getagt, um zu entscheiden, welche Kandidaten man auf dem am 16. Januar stattfindenden Online-Parteitag unterstütze. Seit Wochen steht fest, dass die MIT für die Kampfabstimmung um den Vorsitzenden hinter Friedrich Merz steht. Spahn ist von seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen als stellvertretender Vorsitzender nominiert. Die Unterstützung dieser Kandidatur galt als Formsache.
Doch dann beklagten mehrere MIT-Präsidiumsmitglieder, Spahn stehe nicht mehr für wirtschaftsfreundliche Politik. Er sei ohne Rücksprache in das Team von Armin Laschet eingetreten, der für einen anderen Kurs stehe.
Linnemann versuchte, die Situation zu retten, indem er vorschlug, Spahn solle selbst mit den Wirtschaftspolitikern sprechen. Daraufhin wurde die Sondersitzung am Dienstag einberufen. Doch Spahn war erneut nicht in der Videoschalte. Laut Teilnehmerangaben vertröstete Linnemann sein Präsidium: Sie müssten etwas warten, da Spahn gerade in wichtigen Verhandlungen mit dem russischen Gesundheitsminister stecke.
Das kritische Meinungsbild hatte sich jedoch über das Wochenende noch verfestigt. Man wolle die Delegierten nicht verwirren, hieß es: Der Wirtschaftsflügel werbe für Merz. Wer für Laschet sei, könne nicht vom Wirtschaftsflügel unterstützt werden. Außerdem habe Spahn auch als Gesundheitsminister zuletzt vor allem Sozialpolitik gemacht. Da lediglich ein Präsidiumsmitglied für Spahn argumentierte, habe Linnemann die Notbremse gezogen und von einer Abstimmung über die Unterstützung Spahns abgesehen. Das kommt einem Affront gleich, denn Spahn gehört dem MIT-Präsidium selbst an.
Der Gesundheitsminister wurde auch entgegen der Ankündigung nicht mehr in die Videokonferenz geschaltet. Teilnehmer interpretieren das so, dass Linnemann ihm einen Wink gegeben habe, dies sei sinnlos und würde die Niederlage nur verschlimmern.
Für den Parteitag könnte der Entzug der Unterstützung Spahns durch den Wirtschaftsflügel weitreichende Folgen haben. Wenn Merz Parteivorsitzender wird, könnte er den unterlegenen Laschet als stellvertretenden Parteivorsitzenden vorschlagen. Diesen Posten hat Laschet auch bisher schon inne. Für Spahn wäre dann allerdings aus Proporzgründen kein Platz in der engeren Parteiführung, da er wie Merz und Laschet aus Nordrhein-Westfalen stammt.
Laschet hat bereits erklärt, im Falle seines Sieges bei der Vorstandswahl Spahn als Stellvertreter vorzuschlagen. In diesem Fall wird die Einbindung von Merz schwierig und damit die Sammlung der Partei hinter dem Sieger.
- Aufrufe: 760